© Finken-Verlag · www.finken.de Hören differenziert 3/4 73 Grusel und Abenteuer Track: 49 /CD 2 Dauer: 3:39 Als ich nach Hause kam, saß vor meiner Tür ein Gespenst und weinte. „Na sagen Sie mal!“, sagte ich. „Was machen Sie denn da?“ „Ich hab keinen Schlüssel“, heulte das Gespenst. „Wozu wollen Sie denn einen Schlüssel? Sie wohnen doch da nicht!“ „Aber ich will doch hier geistern!“, heulte das Gespenst. „Nein, nein“, sagte ich, „kommt nicht in Frage!“, und machte dem Gespenst die Tür vor der Nase zu. Aber das Gespenst blieb vor meiner Tür sitzen und weinte. Nicht einmal laut, nur gerade so, dass ich es hören konnte. Nach einer Weile hielt ich es nicht mehr aus. „Also schön, kommen Sie rein, ich kann mich ja gar nicht auf meine Arbeit konzentrieren.“ Das Gespenst setzte sich aufs Sofa und schnäuzte sich in einen Zipfel von – na ja, von sich selber. Eine Weile war es ruhig. Dann begann es von Neuem zu seufzen. „Was haben Sie denn jetzt schon wieder?“ „Dieses elektrische Licht! Ich kann mich einfach nicht daran gewöhnen! Zu meiner Zeit hat es nur Kerzen gegeben.“ „Da kann ich Ihnen jetzt nicht helfen. Ich muss heute noch eine Geschichte schreiben, dazu brauche ich Licht.“ Da fing das Gespenst wieder an, ganz leise vor sich hin zu weinen und mir blieb nichts übrig, als das elektrische Licht auszumachen und meine Geschichte bei Kerzenlicht zu schreiben. Aber nach fünf Minuten seufzte das Gespenst schon wieder. „So werd‘ ich nie mit meiner Geschichte fertig! Was gibt’s denn?“ „Können Sie mir – können Sie mir sagen, wie spät es ist?“ „Da drüben steht mein Wecker!“ Das Gespenst fing schon wieder zu heulen an. „Ich kann doch diese – diese Dickitaluhren nicht lesen. Wie soll ich denn wissen, wann Mitternacht ist?“ „Es ist fünf vor acht, wenn Sie’s genau wissen wollen. Sie haben noch genug Zeit! Kann ich jetzt endlich meine Geschichte schreiben?“ „Ach wissen Sie, ich langweile mich so!“ 50 51 Das weinende Gespenst
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