© Finken-Verlag ∙ www.finken.de 79 Ritter Griesbart und sein Drache 8* Ritter Griesbart von der Tann liegt seit zehn Jahren in heftigem Kampf mit dem sechsköpfigen Drachen. Jeden Morgen reitet er zur Höhle des Untieres, um dieses herauszufordern bis der Drache ihm eines Morgens mitteilt, er habe keine Lust mehr auf die ewige Kämpferei. Der Ritter kann nicht glauben, was er da hört. Er wird wütend und versucht, den Drachen zu provozieren. Doch bald muss er merken, dass all sein Schimpfen und Fluchen ohne Erfolg bleiben. Ritter Griesbart ist wütend und verzweifelt. Mit dem Verlust seines Drachens ist ihm der Sinn seines Ritterdaseins abhanden gekommen. Was soll er denn jetzt tun – so ganz ohne Drachen? In der Höhle des Tieres weint er bitterlich. Da bekommt der Drache Mitleid mit dem traurigen Ritter und besorgt ihm einen „Nachfolger“, seinen kleinen vierköpfigen, aber sehr kampflustigen Neffen Roderich … Die Geschichte bezieht einen Großteil ihrer Attraktivität aus dem Kontrast zu traditionellen Rittergeschichten. Hier haben wir es mit einem Helden zu tun, dessen Unglück nicht darin besteht, vom Drachen getötet zu werden, sondern darin, sich nicht als mutiger Ritter erweisen zu können. Aus dem Helden in der glänzenden Rüstung wird eine traurige Gestalt, über den die Zuhörenden lachen müssen, für den sie aber – genau wie der Drache – auch Empathie zeigen. Sie werden angeregt, Verständnis für dessen Gefühle zu entwickeln. Der Kontrast zwischen dem Drachen, der aus den vertrauten Klischees ausbrechen will, und dem an den überkommenen Traditionen festhaltenden Ritter wird auch in der Sprache deutlich. Während der Drache kurze und präzise Aussagen macht und dabei auch „moderne“ Begriffe wie „Kollegen“ benutzt, sind Griesbarts Ausrufe und Flüche bildreich und voller stilistischer Mittel. „Ekelhafter Erdwurm“ heißt es da und „widerlicher Wiesenwühler“ oder „schuppiges Scheusal“. Hier wird das Fluchen zum Ohrenschmaus und der Zuhörer bzw. die Zuhörerin angeregt, die sprachliche Gestalt des Textes aufmerksam wahrzunehmen. Für den Unterricht bieten sich mehrere Schwerpunkte an, um das Besondere dieser Geschichte hervorzuheben. So können die Kinder etwa versuchen, die Perspektive einer der beiden Hauptfiguren zu übernehmen. Da man in der Erzählung sehr viel über die Gedanken und Gefühle des Ritters erfährt, wäre die Sichtweise des Drachen sicher eine interessante Herausforderung. Dies nicht zuletzt, weil er ja der Überlegene ist. Möglich wäre aber auch, den Fokus auf die sprachlichen Mittel zu lenken und mit den Kindern neue Flüche für den Ritter zu erfinden. Dazu müsste zunächst das Prinzip der Alliteration geklärt und vermutlich auch Wortmaterial rund um den Drachen gesammelt werden. Schließlich wäre auch die Auseinandersetzung mit den traditionellen Klischees in Rittergeschichten, mithin den prototypischen Merkmalen des Genres, attraktiv. Dies könnte angeregt werden, indem die Kinder vor der Rezeption der Erzählung ihre Erwartungen formulieren und diese dann mit der tatsächlichen Geschichte vergleichen Sie können also durchaus auch mehrere Stunden zu dieser Geschichte einplanen. * aus: Cornelia Funke erzählt von Bücherfressern, Dachbodengespenstern und anderen Helden P &©2008 JUMBO Neue Medien & Verlag GmbH, Hamburg Textrechte: Cornelia Funke © 2004 Loewe Verlag GmbH, Bindlach
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